Korpus - Hals - Kopf

Body, Hals und Kopf, auch ohne Beine und Hände, das sind bei der Gitarre eindeutig weibliche Schönheitsmerkmale. Und ähnlich, wie Unterschiede in Gesichtern und Bodies die Schönheitsempfindung stark beeinflussen, hat auch jede Gitarre ihren eigenen Charakter.  In der mittlerweile siebzig jährigen Geschichte der E-Gitarre, entwickelten sich einige Gitarren-Typen entweder zu allgemein anerkannten Kopier-Vorlagen oder sie dienen als Basis für Detail-Veränderungen. Daher sind die Grenzen der kreativen Freiheit bei E-Gitarrenkurven relativ eng gesteckt. Etwas bisher nicht Dagewesenes zu erfinden ist kaum möglich.

Divide et impera, teile und herrsche!

Das ist der Weg, kleinste optische Unterschiede und ihre Wirkung zu untersuchen und zu begreifen. Hierfür teile ich die Gitarre grob nach der Wirkungsweise, in drei Bereiche ein:

Korpus – Hals – Kopfplatte,

um diese Bereiche separat betrachten zu können. Eine detaillierte technische Zeichnung, englisch „blueprint“  genannt,  ist zwar nützlich, aber nicht für jedermann verständlich. Und mehrere blueprints übereinander im Detail zu vergleichen ist recht anstrengend.

Man sagt zwar, dass ein Bild mehr als tausend Worte sagt, jedoch lässt es auch viel Spielraum zur Interpretation. Hierbei fehlen Zahlen, um genaue Maße und Proportionen definieren zu können. Im Vergleich dazu „redet“ eine Risszeichnung, bzw. Gitarrenblueprint in Zahlen. Es handelt sich um eine überschaubare Menge von Bemaßungswerten, zu denen auch Formeln gehören, um sie richtig verstehen zu können. Zum Beispiel die Mensurlänge, die Lage der Oktave, etc.

Damit möchte ich sagen, dass eine Diskussion über Gitarren seinen größten Nutzen entfaltet, wenn Fotos und Zeichnungen mit Zahlen und Textbeschreibungen exakt beschrieben sind. Dies nützt nicht nur Gitarren-Designern oder Selbstbauern, sondern auch Sammlern, Käufern, Verkäufern und anderen Interessierten. Und genau so ein Buch ist das hier.

Reihenfolge der Formen und Maße

Welche Maß-Angabe ist für ein Saiteninstrument die Wichtigste? Es ist die Mensur-Länge, die Länge des Saitenabschnittes zwischen den beiden Auflagepunkten. Also zwischen dem Steg (bridge) und dem Sattel (nut). Vorläufig theoretisch, ohne Kompensation.

 

Saitenabstände

Das zweitwichtigste Merkmal sind die Saitenabstände (string spread) am Steg und am Sattel.  Diese Abstände am Steg bestimmen, ob da genug Platz für die Zupfende Finger (oder mit Plektrum) zur Verfügung steht.

Das gilt auch für die Saitenabstände am Sattel, wobei zusätzlich noch die Sattelbreite (nut width) für die greifende Hand das Spielgefühl beeinflusst.

Erst dann kann man sich über die körperliche Schönheit den Kopf zerbrechen ...

Korpus

Der Gitarrenkorpus ist für den Wiedererkennungswert einer Marke entscheidend, wobei es auch ordentlich klingende Modelle, fast ohne Body gibt. Daraus folgt, dass der Bereich zwischen Griffbrett und Steg am wichtigsten ist. Optik und Body-Formen spielen eher traditionell eine Rolle. Dazu werde ich später vieles beschreiben, diskutieren und erklären.

Gitarrenhals mit Griffbrett

   Der Gitarrenhals mit Griffbrett  sind das Gebiet mit der höchsten Präzision. Die Bundstäbchen müssen mit einer Genauigkeit von mindestens zwei Zehntel des Millimeters eingesetzt werden. Auch wenn der Hals abnehmbar, also mit Schrauben befestigt ist, muss seine Position zum Korpus auch dieser oben genannten Präzision entsprechen. Dies gilt, wenn der Steg am Korpus nicht in Richtung zum Hals oder zurück verschiebbar ist. Des Weiteren ist der Gitarrenhals mit seiner Querprofile-Gestaltung („neck back shapes“) eine sehr feinfühlige Angelegenheit. Die Hand eines Gitarristen spürt schon kleinste Unterschiede in der Halsdicke, der Griffbrettbreite und der Form des Halsprofils in allen Lagen. Oft testet man Beim Kauf eine Menge Gitarren, bevor eine genau richtig in der Greifhand liegt. Die vielen unterschiedlichen Halsprofile resultieren aus der Vielfalt der Gitarristen Hände und deren  unterschiedlichen Anatomie und Größe.

Kopfplatte

Die Kopfplatte ergänzt die körperliche Schönheit mit einem Gesicht und einem Firmenlogo. Wobei es auch ohne Kopfplatte geht. Hierbei werden die Mechaniken am Korpus platziert und das Instrument ist damit kopflos. Traditionell werden die Mechaniken an der Kopfplatte montiert und die Auswahl der Kopfplattenform ist relativ begrenzt. Sinnvoll ist jedenfalls, die Mechaniken so zu platzieren, dass die Saiten parallel zur verlängerten Mittellinie des Griffbretts verlaufen.

Buch: Gitarren-Vermessung

Es gibt bereits einige gute Bücher und Publikationen, die sich mit dem Design und der Konstruktion  von E-Gitarren bzw. E-Bassgitarren befassen.

In meinem Buch versuche ich diese Themen aus einer ungewöhnlichen Perspektive denjenigen anschaulich näher zu bringen, die sowohl zu den unerfahrenen als auch zu den fortgeschrittenen Gitarristen, Gitarrenbesitzern, Sammlern oder Selbstbauern gehören.

 Als gelernter Chemielaborant, später Galvanotechniker und natürlich auch als Amateur-Gitarrenbauer und Gitarrist, neige ich dazu, alles zu vermessen, um die Zusammenhänge besser zu begreifen.

Die Methode zur systematischen Darstellung der wichtigsten Gitarren-Parameter in Koordinaten, kann für eine reibungslose Verständigung zwi-schen zwei oder mehreren Gitarren-Designern sehr nützlich sein. Vorausgesetzt, dass alle Beteiligten bereit sind, sich auf den N u l l p u n k t   unter dem Steg zu einigen.

Obwohl das Buch eine zahlreiche Menge an leicht zu 1 : 1  Größe skalierbare Zeichnungen anbietet, geht es mir hauptsächlich um die einheitliche Methode der Identitätsfeststellung der Gitarrenformen in charakteristischen, möglichst wenigen Koordinaten-Paaren.

Und bitte, keine Angst vor der Mathematik und Geometrie. Das, was wir brauchen,  um die Geometrie der E-Gitarre zu verstehen, sind Kenntnisse bis zur 7. Klasse. Punkt, gerade Linie, Strecke, Länge, Halbgerade, Parallele, Dreieck, Viereck, Polygon, Trapez, Kreis, etc., Mittelpunkt, Mittellinie, Winkel, Achse, Symmetrie, Drehung, Spiegelung … und natürlich das Koordinaten-System.

Gitarre in X_Y_Z

Die Anatomie von E-Gitarre, E-Bass und anderen Saiteninstrumenten wird üblicherweise in ihrer vertikalen, stehenden oder hängenden Position beschrieben. So, wie es auch in den medizinischen Lehrbüchern steht. Demnach hat eine normale E-Gitarre den Korpus unten, mittig den Hals und oben den Kopf. Der Korpus hat eine linke und eine rechte Hälfte, wovon es je ein unteres und oberes Viertel (bout) gibt. Der untere Gurtpin befindet sich am Lower bout, der obere Gurtpin (upper strap button) ist am oberen Horn angeschraubt.

Mit dem Hals, bzw. Griffbrett ist es anders, die unteren Bundstäbe („lower frets“) sind oben und die oberen Bundstäbe („higher frets“)  sind unten, am Korpus, zu finden. Darin steckt  mehr Physiologie, als Anatomie, nicht wahr?

Musikalisch – es geht hier doch um ein Musikinstrument – „hoch“ oder „oben“ erzeugt eine höhere Frequenz oder ein höheren Ton, bzw. Tonlage. Danach sollte folgerichtig die E-Gitarrendarstellung „auf dem Kopf“ stehen und damit sind so gut wie alle Lagenbeschreibungen verkehrt. So bleibt uns nichts Anderes übrig, als den Hals oder  genauer, das Griffbrett, für sich zu betrachten. Der Hals als Träger der Kopfplatte bleibt dennoch in der üblichen Darstellung.

Die Spielposition

Die Spielposition, ob sitzend oder stehend, scheint ideal für die Untersuchung, Darstellung und die genaue Vermessung geeignet zu sein.

Legen wir ein Koordinatenkreuz über eine Gitarre in der Draufsicht, wobei die X-Achse (die Mittellinie) mittig auf dem Griffbrett verläuft und die Y-Achse (die Mensurlinie) die Mensur-Länge am Steg darstellt, lässt sich jeder Punkt in genauen Zahlen festlegen. Die Punkte dienen als Bausteine für die Linien, Kurven und andere Formen. Auch die dritte Dimension, die Z-Achse lässt sich nach Bedarf hinzunehmen.   

Wo liegt der Hals-Nullpunkt?

Die obere Darstellung eignet sich hauptsächlich für die Darstellung der Korpus-Umrisse und Gesamtproportionen. Bei der Kopfplatte als Detail, ist es sinnvoller den Nullpunkt ausnahmsweise mittig, an der Sattel-Vorderkante zu positionieren. Damit bewegen wir uns im "Kleinformat", hinter dem Griffbrett und können gleich auf die negativen X-Koordinatenzahlen verzichten. Bei Instrumenten mit einem zusätzlichen Null-Bundstäbchen vor dem Sattel gilt der Nullpunkt ab Profilmitte der Krone des Null-Bundstäbchens.

Die Griffbrettdarstellung

Die Hals- und Griffbrettdarstellung und die Bundabstände könnte man zwar vom Steg ausgehend messen, es ist aber üblich und praktischer, vom Sattel-Nullpunkt nach links, zum Korpus hin (+ X, ausnahmsweise), auszugehen.

Querprofile des Halses

Für die Halszeichnung braucht man zusätzlich die räumliche Z-Koordinate, um das Halsprofil zu beschreiben. Dazu sollte der Nullpunkt jeweils auf der Mittellinie und auf der Griffbrettoberfläche, flach, ohne Radius und ohne Bundstäbe liegen. Der Radius ist  „compound“, also in einzelnen Lagen unterschiedlich hoch und da sich die Bundstäbe abnutzen, sind sie als Messbezugspunkt nicht geeignet.    

Symmetrie zur Mittellinie (X-Achse)

Die klassische Konzertgitarre ist in der Vorderansicht quasi symmetrisch zur Mittellinie, die zwischen der dritten und vierten Saite verläuft. Diese Linie eignet sich als Koordinaten-Achse X. Mit der Symmetrie zur Achse Y bietet die Gitarre in der Vorderansicht zu wenig an. Weil die Mensur und die Stegposition die wichtigsten Vorgaben sind, bekommt die Mensurlinie Y ihren Platz am Steg und nicht etwa am Gurtpin des Korpus.

   Die E-Gitarren sind in puncto Symmetrie weniger „brav“ und ihre Asymmetrie spielt im Design eine große Rolle. Trotzdem ist z.B. die auffällige Flying V ein Beispiel für eine beinahe vollkommene X-Achse-Symmetrie. Eigentlich untersuchen wir mit dem E-Gitarren-Mapping  das Gegenteil – die Asymmetrie, denn die Koordinaten-Achsen dienen nur als Bezugslinien für die Abweichungen der Messwerte, ausgehend vom Null-Wert.

Kachel - Puzzle

Für den Fall, dass wir genauere Positionsangaben der Konturen und Details des Instruments, in Zahlen, Buchstaben oder anderen Codierung haben wollen, brauchen wir ein geeignetes Raster-System.

Ein Raster ist natürlich nichts Neues, wie z.B. die hier vorgeschlagenen, durchsichtigen Dezimeter-Kacheln über einem Gitarrenkorpus. Die nummerierten Raster-Quadrate haben aber zusätzlich eine enge Beziehung zum  NULLPUNKT,  dessen Position auf dem Korpus von der Mensurlänge der jeweiligen Gitarre abhängt.

Neu ist also die spiral-verlaufende Nummerierung, bzw. Reihenfolge, die aus dem kartesischen Koordinatensystem, die linksdrehende Richtung, die Null-Position und die X und Y-Koordinaten, übernimmt.

 

Beispiel: Kachelpositionen über einem SG-Korpus

Downloads

Hier findest Du Dokumente zum Download:

Vorlagensystem mit einem gemeinsamen Nullpunkt


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